„Die Uhren sollen gestellt werden!“ | OWZ zum Sonntag

Veröffentlicht am 27.03.2025 12:58, aktualisiert am 27.03.2025 13:50

„Die Uhren sollen gestellt werden!“

Am kommenden Sonntag werden die Uhren von Winter- auf Sommerzeit umgestellt. Wer im Besitz einer Funkuhr oder eines Smartphones ist, muss nichts unternehmen. Auf ein Signal hin wird die Zeit automatisch umgestellt, und alle Uhren in Deutschland zeigen die gleiche Zeit.

Das war vor 190 Jahren noch anders. Die Uhren zeigten, wenn die Orte nicht auf gleicher Länge lagen, unterschiedliche Zeiten – die Ortszeiten. 12 Uhr Ortszeit war, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, also senkrecht stand. Und danach wurden die Uhren gestellt.

Die optische Telegrafenstation Oeynhausen mit den Zeichen A5.3, C4.3, „Die Uhren sollen gestellt werden.“ (Foto: privat)
Die optische Telegrafenstation Oeynhausen mit den Zeichen A5.3, C4.3, „Die Uhren sollen gestellt werden.“ (Foto: privat)
Die optische Telegrafenstation Oeynhausen mit den Zeichen A5.3, C4.3, „Die Uhren sollen gestellt werden.“ (Foto: privat)

Das war auf der Telegrafenlinie Berlin – Koblenz wenig praktikabel. Der Zeitunterschied zwischen Berlin und Koblenz betrug 23 Minuten, für einen reitenden Boten, der für diese Strecke drei bis vier Tage benötigte, sicher zu vernachlässigen. Der Telegrafendienst jedoch erforderte „bei vielen Gelegenheiten ein fast gleichzeitiges Wirken auf der ganzen Linie. Und so ist es nothwendig, daß die Stationsuhren so viel wie möglich dieselbe Zeit anzeigen.” Um diese einheitliche Zeit zu erreichen, wurde alle drei Tage mit Hilfe der optischen Telegrafen die so genannte Berliner Zeit durchgegeben und die Stationsuhren gestellt.

Blick in den Observationsraum der preußischen Telegrafisten. (Foto: privaz)
Blick in den Observationsraum der preußischen Telegrafisten. (Foto: privaz)
Blick in den Observationsraum der preußischen Telegrafisten. (Foto: privaz)

Eine Stunde bevor das Zeitzeichen die Linie durchlief, wurde es von Berlin aus angekündigt und zwar durch die Zeichen A5.3, C4.3, das heißt: „Die Uhren sollen gestellt werden.” Eine viertel Stunde vor der angekündigten Stunde musste die nach Berlin gelegene Nachbarstation „fleißig” beobachtet werden.

Eine Minute vor der angekündigten Zeit durchlief das Zeichen „Die Uhren sollen gestellt werden” noch einmal die Linie. Jetzt war schon zu sehen, ob die Stationsuhren vor- oder nachgingen. Das musste „auf einem Papier” vermerkt werden. Sobald nun dieses Zeichen durchgegangen war, durfte der Spähtelegrafist die nach Berlin gelegene Nachbarstation nicht mehr aus den Augen lassen. Der Kurbeltelegrafist stand am Stellapparat, legte die Hand an die Steuerung B 4,5,6. Der Spähtelegrafist beobachtete die Nachbarstation. Sobald sich dort der Indikator (Arm) B bewegte, rief er: „Fort!”, der Kurbeltelegrafist stellte das Zeichen B4 ein. Späh- und Kurbeltelegrafist kontrollierten die Stationsuhr und hielten die Abweichung fest.

Für die ca. 600 km lange Strecke zwischen Berlin und Koblenz benötigte das Zeichen ca. eine Minute. Zur Kontrolle wurde das Zeichen B 3 von der Endstation auf dem Schloss in Koblenz zurück nach Berlin geschickt. Sobald das Rückzeichen durch war, konnte mit der normalen Korrespondenz begonnen werden.

Wandzeichnung „Von Station zu Station wurden die Zeichen weitergegeben“. (Foto: privat)
Wandzeichnung „Von Station zu Station wurden die Zeichen weitergegeben“. (Foto: privat)
Wandzeichnung „Von Station zu Station wurden die Zeichen weitergegeben“. (Foto: privat)

Im Kreis Höxter standen von 1833 bis 1849 fünf optische Telegrafenstationen: Nr. 29 Bödexen, Nr. 30 Vörden, Nr. 31 Entrup, Nr. 32 Oeynhausen und Nr. 33 Altenbeken. Drei Standorte sind in besonderer Weise erleb- und erfahrbar: Nr. 32 Oeynhausen mit dem rekonstruierten und wiedererrichteten Gebäude und der Telegrafentechnik, die in 2020 und 2021 aufwendig restauriert wurde, und die Standorte Nr. 31 Entrup und Nr.30 Vörden mit den Türmen, die on top an die opt. Telegrafie erinnern. Die Stationen Entrup und Oeynhausen können aufgrund ihrer originalgetreuen Nachbauten der Telegrafen miteinander korrespondieren. Mit Hilfe eines alten Teleskops können die auf der Station Entrup eingestellten Zeichen auf der Station Oeynhausen abgelesen werden. Außerdem verfügt die Station Oeynhausen über eine digitale Ausstellung zur Geschichte der optischen Telegrafie und zur Geschichte der Station Oeynhausen.

Von allen Standorten hat man einen phantastischen Blick durch den Kreis Höxter und darüber hinaus. Von der Station Nr. 29 Fürstenau/Bödexen sind noch Mauerreste vorhanden. An die Station 33 Altenbeken erinnert ein Stein.

Weitere Informationen zur optischen Telegrafie in der Telegrafenstation Oeynhausen. Die optische Telegrafenstation ist von April bis September an jedem letzten Sonntag im Monat von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Sachkundige Führungen werden angeboten.

Weitere Informationen unter oeynhausen.com und telegrafenstation.oeynhausen.com.

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