Infrastruktur ist zerstört | OWZ zum Sonntag

Veröffentlicht am 02.08.2024 22:03, aktualisiert am 05.08.2024 20:32

Infrastruktur ist zerstört

Ein Bild der Verwüstung zeigte sich in Gottsbüren nach dem Unwetter in der Nacht auf Freitag. (Foto: Stefan Bönning)
Ein Bild der Verwüstung zeigte sich in Gottsbüren nach dem Unwetter in der Nacht auf Freitag. (Foto: Stefan Bönning)
Ein Bild der Verwüstung zeigte sich in Gottsbüren nach dem Unwetter in der Nacht auf Freitag. (Foto: Stefan Bönning)
Ein Bild der Verwüstung zeigte sich in Gottsbüren nach dem Unwetter in der Nacht auf Freitag. (Foto: Stefan Bönning)
Ein Bild der Verwüstung zeigte sich in Gottsbüren nach dem Unwetter in der Nacht auf Freitag. (Foto: Stefan Bönning)

In der Nacht zum Freitag traf ein schweres Unwetter den nördlichen Altkreis Hofgeismar. Im kleinen Reinhardswalddorf Gottsbüren fielen laut Deutschem Wetterdienst rund 170 Liter auf den Quadratmeter und richteten schwere Verwüstungen an. Stark betroffen von dem Unwetterereignis ist neben Gottsbüren auch Wülmersen, ebenfalls zu Trendelburg gehörend. Hier wurde eine 70-köpfige Jugendgruppe vom Zeltplatz evakuiert. Der Ort war zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten, die Zufahrtsstraße war binnen Minuten überflutet und unpassierbar.

Weitere Orte betroffen

Der Hofgeismarer Ortsteil Hümme war ebenfalls betroffen. Im Bereich des Rehbergs ergossen sich Wasser- und Schlammassen in den Ort, der Bereich um den Sportplatz glich einer Seenlandschaft, die Bundesstraße 83 musste aufgrund des Schlammes gesperrt werden und wurde erst am des Freitagmittag wieder für den Verkehr freigegeben. Auch Bad Karlshafen und insbesondere Helmarshausen waren betroffen – hier wurden eine Straße zerstört und viele Keller überflutet.

Die Wassermassen waren im Laufe des Freitags zurückgegangen und hinterließen ein Bild der Verwüstung.

Große Hilfsbereitschaft

Nach Aussagen von Vizelandrätin Silke Engler waren am Freitag rund 650 Hilfskräfte im Einsatz. Neben Feuerwehren, Technischem Hilfswerk, Rettungsdiensten und Polizei waren Unternehmen und Landwirte aus der Region und aus dem benachbarten Nordrhein-Westfalen mit schwerem Gerät angerückt, um dem Schlamm Herr zu werden.

Während andernorts schon vieles wieder aufgeräumt war, kämpften die Helfer in Gottsbüren noch am Freitagnachmittag mit den Folgen des Unwetters. „Rund 200 Tonnen Schlamm und Schotter müssen geschätzt weggeräumt werden“, sagte Bürgermeister Manuel Zeich bei einer Pressekonferenz. Angesichts der Bilder in Gottsbüren eine eher vorsichtige Schätzung.

„Die kompletten Aufräumarbeiten werden vermutlich Wochen dauern“, so Zeich. Angesichts der nahezu komplett zerstörten Infrastruktur im Ortskern kommen auf die Stadt Trendelburg große Herausforderungen zu. „Eine Einschätzung der Schadenshöhe ist nach derzeitigen Stand noch gar nicht möglich“, sagte Zeich auf Nachfrage.

An der Wiederherstellung der zeitweise unterbrochenen Stromversorgung arbeiteten den ganzen Tag über Mitarbeiter der EAM. Die Wasserversorgung war ebenfalls lahmgelegt. Auswirkungen waren bis ins benachbarte Borgentreich spürbar, das Wasser aus Trendelburg bezieht. Im Laufe des Freitags konnte diese aber wieder in Betrieb genommen werden.

Nicht vorhersehbar

In Gottsbüren hat es bei Starkregen in der Vergangenheit wiederholt Überschwemmungen und vollgelaufene Keller gegeben. Diese waren aber überhaupt nicht mit dem zu vergleichen, was in der Nacht auf Freitag passierte. Die Niederschlagszelle sei einfach nicht weitergezogen, habe sich in sich selbst gedreht und dabei ihre Wassermassen über Gottsbüren abgeladen, so Silke Engler auf die Frage, ob diese Katastrophe nicht vorhersehbar gewesen sei. Manuel Zeich ergänzte, dass keine erdenkliche Hochwasserschutzmaßnahme diesen Wassermassen hätten trotzen können.

Tierpark geschlossen

Im Tierpark Sababurg ist ein hoher Sachschaden zu beklagen, wie Vizelandrätin Silke Engler sagte. Der Park wird daher für voraussichtlich mindestens zwei Wochen geschlossen bleiben. Menschen und Tiere kamen glücklicherweise nicht zu Schaden.

Katastrophentourismus

Kritik hagelte es von mehreren Seiten am einsetzenden Katastrophentourismus. Vizelandrätin Engler appelliert an die Menschen: „Bitte kommen Sie nicht nach Gottsbüren, wenn Sie nicht wirklich helfen wollen und können. Sie behindern dort die Aufräumarbeiten und bringen sich selbst in Gefahr.“ Einen Zusammenstoß zwischen einem PKW und einem Bagger hatte es wohl am Freitagvormittag schon gegeben, wie Anwohner berichteten.

Hilfe ist willkommen

„Wir freuen uns sehr über weitere Helfer - jede Hand, jedes Fahrzeug, jeder Bagger ist willkommen und wird benötigt“, sagte Manuel Zeich. Der Appell des Bürgermeisters: „Aber bitte kommen Sie nicht einfach so nach Gottsbüren, sondern melden Sie sich mit Ihrem Hilfsangebot unter der Adresse hauptamt@trendelburg.de. Der Ort ist sehr eng, die Helfer müssen gut koordiniert eingesetzt werden.“

Wie der Landkreis Kassel am Sonntag mitteilte, gehen die Aufräumarbeiten weiter voran.
Alle derzeitigen Einsatzkräfte werden verstärkt in Trendelburg-Gottsbüren und Wesertal-Gieselwerder eingesetzt. Zu deren Aufgabe gehört insbesondere die provisorische Wiederherstellung der Infrastruktur sowie die Beseitigung von Schlamm und Unrat und das Abpumpen von Wasser. In Gieselwerder sind die Einsatzkräfte gut vorangekommen, sodass ein Großteil der Aufräumarbeiten noch heute abgeschlossen werden kann. Ein Ringverkehr ist eingerichtet, der Geröll und Unrat aus den betroffenen Gebieten abtransportiert.
Die Sporthalle in Gottsbüren dient als Notunterkunft. Zudem begann die die Bauaufsicht des Landkreises Kassel die Standsicherheit der Gebäude in den betroffenen Gebieten zu überprüfen.
Die eingesetzten Kräfte werden fortlaufend abgelöst. Inzwischen sind auch Katastrophenschutz-Löschzüge aus dem Landkreis Waldeck-Frankenberg sowie aus dem Werra-Meißner-Kreis im Einsatz. In der Vorplanung ist bereits der Schwalm-Eder-Kreis berücksichtigt. Die Einsatzlage dauert weiterhin an. Zeitweilens waren bis zu 700 Kräfte im Einsatz.

Am Montag besucht Hessens Innenminister Roman Poseck die Region, um sich ein Bild von den Schäden zu machen.

Updates und letzte Meldungen

In Wesertal besteht für betroffenen Anwohner die Möglichkeit, Sandsäcke abzuholen, wie die Gemeindeverwaltung am Montagmorgen mitteilte. Hintergrund ist, dass nach wie vor Wasser nachläuft. Dagegen ist eine in den sozialen Medien kursierende Meldung, die Weserbrücke würde gesprengt, vollkommen an den Haaren herbeigezogen. Richtig ist, dass das Brückenbauwerk an der TAS-Tankstelle kontrolliert abgetragen wurde, um einen besseren Wasserablauf zu gewährleisten. Die Durchgangsstraßen in Gieselwerder sind mittlerweile wieder passierbar, der Verkehr muss sich aber darauf einstellen, dass es aufgrund der andauernden Aufräumarbeiten nach wie vor zu Behinderungen kommen kann.

In Bad Karlshafen stellte sich nach Aussage von Bürgermeister Marcus Dittrich am Montagvormittag die Situation wie folgt dar: Aus der Kernstadt Bad Karlshafen sind keine Schäden bekannt, im Gebiet Graseweg ist es vereinzelt zu vollgelaufenen Kellern gekommen. Die schlimmsten Schäden entstanden im Stadtteil Helmarshausen, wo einige Haushalte sehr stark betroffen sind. Die Straßen Trendelburger Weg und Hainbach sind wieder befahrbar, die am stärksten betroffene Mühlenstraße soll im Laufe des Montags wieder passierbar werden. An Versorgungsleitungen, so Dittrich seien bisher keine Schäden bekannt geworden.

Der Nordhessische Verkehrsverbund (NVV) teilte am Montag mit, dass die, durch das Hochwasser unterbrochenen Buslinien, nach und nach im Laufe des Tages wieder in Betrieb genommen werden können. Dies sind die Linien Linie 190 Hofgeismar - Reinhardshagen - Hann. Münden und 191 Hombressen - Hofgeismar. Die Linie Linie 192 Hofgeismar - Sababurg - Gottsbüren - Gieselwerder muss auf voraussichtlich unbestimmte Zeit geteilt werden. Ein Bus pendelt daher vom Hofgeismarer ZOB über den Tierpark Sababurg bis an den südlichen Ortsrand von Gottsbüren und von dort wieder zurück. Die Ersatzhaltestelle in Gottsbüren ist noch in Vorbereitung. Ein zweiter Bus pendelt ab Bahnhof Bodenfelde über Gieselwerder Rathaus bis Veckerhagen (Wilhelmsplatz), von dort zurück. Hier besteht auch Anschluss nach Hofgeismar an die Linie 190 mit etwa einer halben Stunde Übergang. Die Fahrplananpassungen sind ab Mittwoch in der NVV-Auskunft zu finden.

Die Schäden im Hümme sind laut Aussage von Bauhofleiter Manuel Hampe bereits am Freitag weitestgehend aufgeräumt worden. Allerdings wurden im Laufe des Montags einige Wasserdurchlässe noch einmal gespült, um sie von Schlammresten zu befreien. In Hombressen wurde auch am Montag noch am Lempelauf gearbeitet, durch das Hochwasser eingespülte Hindernisse wie Bäume, Äste und Schotter aus dem Bachlauf geräumt, um im Falle erneuter Unwetter keine Hindernisse in den Abläufen zu haben. Herausgeschwemmter Schotter wurde dabei direkt wieder in beschädigte Wege eingebaut, um diese zumindest provisorisch wieder befahrbar zu machen. In Sababurg, das ebenfalls zu Hofgeismar gehört, ist die sogenannte Mühle stark betroffen: „Das Wasser, das schon im Tierpark für Verwüstung sorgte, hat die unterhalb des Parks liegende Sababurger Mühle mit voller Wucht getroffen und großen Schaden angerichtet. Das Bild, dass sich dort bot, war verheerend.“ so Hampe. Unter dem Eindruck der Schäden hat Bürgermeister Torben Busse seinen Urlaub abgebrochen und ist nach Hofgeismar zurückgekehrt, um bei der Krisenbewältigung mitzuarbeiten.

Die Einwohner der Trendelburger Stadtteile Gottsbüren, Friedrichsfeld, Stammen, Deisel, Langenthal, Wülmersen und der Kernstadt werden gebeten, das Leitungswasser vorsorglich zehn Minuten lang abzukochen, sofern es zum Trinken, Kochen oder zur Zubereitung von Speisen oder Getränken verwendet werden soll. Durch die Stadt wurden Untersuchungen auf eine mögliche Verkeimung beauftragt, sobald die Ergebnisse vorliegen, wird es Informationen geben, ab wann auf das Abkochen verzichtet werden kann. Zur Körperpflege kann das Leitungswasser unbedenklich verwendet werden. Die Stadtteile Sielen und Eberschütz von dieser Maßnahme nicht betroffen.

Bürgermeister Zeich weist darauf hin, dass die Durchfahrt durch Gottsbüren bis auf Weiteres gesperrt bleiben wird, um die Aufräumarbeiten ungehindert fortsetzen zu können. In Abstimmung mit Hessen Mobil wird diese Maßnahme aber täglich neu bewertet und bei Bedarf der Situation angepasst. Wülmersen ist nach Zeichs Worten wieder erreichbar. Dort sind der Fischzuchtbetrieb Dvorak und die Straußenfarm von Uwe Schrage stark von Unwetterschäden betroffen.

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