Corvey: Westwerk und Kirche bis Ende Januar 2025 sonntags geöffnet | OWZ zum Sonntag

Veröffentlicht am 29.10.2024 11:02

Corvey: Westwerk und Kirche bis Ende Januar 2025 sonntags geöffnet

Die Doppelturmfassade des Westwerks ist das Gesicht der Welterbestätte.  (Foto: Kirchengemeinde Corvey)
Die Doppelturmfassade des Westwerks ist das Gesicht der Welterbestätte. (Foto: Kirchengemeinde Corvey)
Die Doppelturmfassade des Westwerks ist das Gesicht der Welterbestätte. (Foto: Kirchengemeinde Corvey)

Die ehemalige Klosterkirche und das 2014 zum UNESCO-Welterbe geadelte karolingische Westwerk der früheren Benediktinerabtei Corvey können auch nach Saisonschluss in der Zeit vom 10. November 2024 bis 26. Januar 2025 immer sonntags von 10 bis 14 Uhr besichtigt werden. Auf diese Sonderöffnung macht die katholische Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus Corvey aufmerksam.

Die zwölf offenen Sonntage in Westwerk und Kirche stehen im Zusammenhang mit der hochkarätigen Sonderausstellung „Corvey und das Erbe der Antike” im Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn.

Als Thinktank des Mittelalters und bedeutendes Zeugnis der Antikenrezeption in dieser alles andere als düsteren Epoche ist die ehemalige Reichsabtei bei Höxter Ausgangspunkt der großen Schau.

Bedeutender Kulturtransfer

Diesen Ausgangspunkt am Weserbogen können die Gäste der Paderborner Ausstellung nun zu den Sonntags-Öffnungszeiten besuchen – und im Johanneschor im Obergeschoss des Westwerks die berühmte Odysseus-Szene im Original betrachten.

Diese Wandmalerei unter der Westempore des erhabenen Sakralraums haben die Mönche der 822 gegründeten Benediktinerabtei vor mehr als 1100 Jahren erschaffen und das Motiv aus der griechischen Mythologie christlich umgedeutet.

Daher spielt es in der bis zum 26. Januar 2025 laufenden Ausstellung zum Erbe der Antike im Diözesanmuseum Paderborn eine wichtige Rolle. Die zaghaft erhaltene Odysseus-Szene legt Zeugnis darüber ab, wie das Mittelalter sich die Antike aneignete und einen großartigen Kulturtransfer ermöglichte.

Der Begeisterung gelehrter Köpfe für das klassische Altertum ist es zu verdanken, dass antikes Wissen und antike Kultur bis in die Gegenwart gelangten und bis heute unsere europäische Gesellschaft prägen. Diese großartigen Überlieferungsleistungen des Mittelalters beschränken sich natürlich nicht nur auf Architektur und Kunst, sondern umfassen auch die Abschrift antiker Schriften in den Frauen- und Männerklöstern.

„Alles, was die antiken Schriftsteller mal aufgeschrieben haben, meist auf Papyrus-Rollen, ist nicht überliefert, sondern Mönche und Nonnen aus dem Mittelalter haben es aufgeschrieben und bewahrt“, erläutert Dr. Christiane Ruhmann, Kuratorin der großen Ausstellung im Diözesanmuseum Paderborn.

Die Odysseus/Skylla-Szene an der Nordwand unter der Westempore des Johanneschors im Westwerk der Klosterkirche Corvey. Foto: Kalle Noltenhans (Foto: K. Noltenhans)
Die Odysseus/Skylla-Szene an der Nordwand unter der Westempore des Johanneschors im Westwerk der Klosterkirche Corvey. Foto: Kalle Noltenhans (Foto: K. Noltenhans)
Die Odysseus/Skylla-Szene an der Nordwand unter der Westempore des Johanneschors im Westwerk der Klosterkirche Corvey. Foto: Kalle Noltenhans (Foto: K. Noltenhans)

Corvey hat Weltgeltung

Im Kontext dieser Überlieferung antiker Schriften „kann Corvey Weltgeltung für sich beanspruchen“, ordnete sie die Weserabtei in eine Champions-League ein.

Deshalb hat das Team des Diözesanmuseums das 1200-jährige Gründungsjubiläum des Klosters und auch den zehnten Jahrestag der Welterbe-Anerkennung 2014 zum Anlass genommen, dem Erbe der Antike und der Bedeutung Corveys als Zentrum der Übermittlung antiker Schrift, Architektur und Wandmalerei im frühen Mittelalter eine glanzvolle Ausstellung zu widmen.

Von den mehr als 120 faszinierenden Leihgaben aus vieler Herren Länder hatten einige der kostbaren Exponate einen vergleichsweise kurzen Anreiseweg. Denn sie kommen vom Ausgangspunkt der Schau, aus Corvey. Zu diesen Ausstellungsstücken gehört das Original der Inschriftentafel aus der Gründungszeit der Abtei.

Mit ihren ursprünglich goldfarben leuchtenden Buchstaben in der Schriftart „capitalis quadrata“ steht sie in der Tradition antiker Monumentalinschriften und weist die Kirche samt Klosterbezirk, der Civitas, als irdisches Abbild des Himmlischen Jerusalems aus. „Umhege, o Herr, diese Stadt und lass deine Engel die Wächter ihrer Mauern sein“: Diesen Segenswunsch haben die Mönche des jungen Klosters in Stein meißeln lassen.

Segenswunsch empfängt Gäste

Noch heute werden Ankommende von dieser Inschrift empfangen, wenn sie sich der imposanten Doppelturmfassade des Westwerks – dem Gesicht der Welterbestätte Corvey – nähern.

Aus konservatorischen Gründen ist dort draußen aber seit vielen Jahren eine Kopie angebracht. Das kostbare Original der Platte aus Solling-Sandstein hat innerhalb der ehemaligen Klostermauern seinen Platz und ist jetzt nach Paderborn entliehen worden.

Die Inschriftentafel befindet sich dort in bester Gesellschaft mit Schatzkunst, Elfenbeinkunst, Architektur- und Wandmalereifragmenten. Aus der Vorhalle des Aachener Doms ist die berühmte bronzene Bärin, die Ursa, angereist.

Die Burse von Engar – ein aus dem Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin entliehenes, faszinierendes Goldschmiedewerk des 8. Jahrhunderts – zieht ebenfalls bewundernde Blicke auf sich. An den Stifter des Klosters Corvey, Kaiser Ludwig den Frommen, erinnern die erhaltenen Teile seines reichverzierten Sarkophags aus dem Musée de La Cour d’Or in Metz.

Detail der Inschriftentafel aus der Gründungszeit des Klosters Corvey. Die eingelegten, vergoldeten Buchstaben fehlen heute in der Originaltafel, denn sie gingen bereits in den vergangenen Jahrhunderten verloren. Foto: Kalle Noltenhans (Foto: K. Noltenhans)
Detail der Inschriftentafel aus der Gründungszeit des Klosters Corvey. Die eingelegten, vergoldeten Buchstaben fehlen heute in der Originaltafel, denn sie gingen bereits in den vergangenen Jahrhunderten verloren. Foto: Kalle Noltenhans (Foto: K. Noltenhans)
Detail der Inschriftentafel aus der Gründungszeit des Klosters Corvey. Die eingelegten, vergoldeten Buchstaben fehlen heute in der Originaltafel, denn sie gingen bereits in den vergangenen Jahrhunderten verloren. Foto: Kalle Noltenhans (Foto: K. Noltenhans)

Saison endet am 3. November

Aber auch das Skriptorium und Bibliothek des mittelalterlichen Corvey wird beim Rundgang gegenwärtig – in Gestalt bedeutender Handschriften wie dem Evangeliar aus dem Prager Veitsdom, das im 10. Jahrhundert Teil der Klosterbibliothek war, oder der Abschrift der berühmten Tacitus-Annalen.

Diese gehörte 822 zur Gründungsausstattung der Weserabtei und ist auch deshalb so bedeutsam, weil die Jahrbücher die Varusschlacht thematisieren und nur bei Tacitus der Teutoburger Wald als Schauplatz erwähnt wird. Nach Paderborn entliehen wurde die Abschrift aus der Biblioteca Medicea Laurenziana Florenz.

Das Kloster am Weserstrand steht an der Pader also in einem besonderen Licht. Deshalb werden Gäste der Ausstellung (Infos unter www.erbe-der-antike) Westwerk und Kirche sicherlich gerne besuchen. Dazu besteht an den Sonntagen vom 10. November 2024 bis 26. Januar 2025 die Gelegenheit.

Die Saison in Corvey geht in Kürze zu Ende. Am kommenden Sonntag, 3. November, sind die Welterbestätte und der malerische Remtergarten zum letzten Mal von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Führungen sind aber auch in der Winterpause nach Terminabsprache unter 05271/68168 jederzeit möglich.

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