Für eine lange Zeit gehörten sie nun zum Stadtbild Höxters, die Alltagsmenschen. Seit Mitte März bevölkerten sie die Fußgängerzone und die Promenade an der Weser, ließen sich in der Stummrigestraße fotografieren und fotografierten selbst, warteten auf Mauern am Bahnhof oder spähten mit einem Fernglas die Straße hinunter. Sie testeten auch das Wasser am Marktplatz und luden vor der Dechanei zur Polonaise ein – und wie viele Leute ließen sich nicht zweimal bitten.
Die 80 bis 150 Kilogramm schweren Kunstwerke aus Beton, von den Künstlerinnen Christel und Laura Lechner aus Witten geschaffen, könnten vermutlich einen ganz anständigen Halbjahresrückblick verfassen, bei all den Festivitäten und Märkten und alltäglichen Momenten, die sie durchleben durften. Man sieht es ihnen teilweise auch an, an den Spuren, die Wind und Wetter und Mitbürger an den „Neubürgern auf Zeit“ hinterließen. Einem Herrn in der Polonaise ist ja gar der grüßend erhobene Arm abhanden gekommen – mit positivem Blick will man einmal annehmen, dass da einfach ein High Five etwas zu enthusiastisch ausfiel.
Nun aber geht es heim – auf den Lechnerhof, ins Winterlager. Verständlicherweise, immerhin tragen die wenigsten der 50 Figuren wirklich wintertaugliche Kleidung.
„Alltagsmenschen“ - so lautet der Name der Freiluftwanderausstellung, welche nach Höxter kam, um im Nachhall der Landesgartenschau weiterhin für Schauwerte zu sorgen. Die Ausstellung ist dabei keineswegs unbekannt, sondern bereits in zahlreichen Städten zu betrachten gewesen. Die Beton-Passanten haben es gar bis nach Sylt geschafft, und sie bringen eine Fan-Gemeinde mit sich, die gar ihre Urlaubsplanung nach den „Zugbewegungen“ der Alltagsmenschen ausrichtet. Diesmal wurde Höxter zum Ziel, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Besucher wie Einheimische, ob schon längst Fans oder nicht, fanden Charme und eine gewisse, fotogene Gelassenheit in den zumeist rundlichen Formen und gewöhnlichen Aktivitäten der Figuren.
Bei den Alltagsmenschen handelt es sich eben weder um Promis noch um Karikaturen - die Künstlerinnen ließen sich, wie es der Name verspricht, vom Alltag inspirieren. Die Alltagsmenschen sind keinem Schönheitsideal unterworfen, gern sind sie etwas rundlicher, sind ihre Gesichtszüge etwas undefiniert. Die Betrachter sind eingeladen, vielleicht sich selbst oder Bekannte in diesen Gesichtern wieder zu finden, sich eigene Geschichten und Hintergründe zu erdichten - und diese vielleicht mit anderen zu teilen, wenn man gemeinsam in Gegenwart der Alltagsmenschen ein Minütchen oder zwei verbringt.
Dazu sei gesagt: Es muss kein Abschied für immer sein. Wer weiß, welcher der Alltagsmenschen sich im nächsten Jahr wieder nach Höxter verirrt? Welche Freunde er wohl mitbringen wird?