(von Barbara Siebrecht ) Wer im Winter aufmerksam durch die Region fährt, hat sie schon gesehen, die grünen Bälle der Misteln in den laublosen Kronen der Bäume. Leider entdeckt man sie an vielen alten Linden, die besondere Stätten markieren. Schon seit dem Altertum ist die Linde ein heiliger Baum, war der Göttin Freya geweiht und gilt in der Symbolik mit ihren herzförmigen Blättern als Baum der Liebe, Güte und Gastfreundschaft. Außerdem wird sie wegen der Heilkraft ihrer Blüten verehrt und die heimischen Lindenarten sind als Heilpflanze 2025 gewählt worden. Man pflanzte sie als Tanz- oder Gerichtslinde auf Dorfplätzen, an Kirchen, Feldkreuzen und anderen geweihten Orten oder entlang wichtiger Straßen als Allee. Die alten Linden prägen das Bild unserer Dörfer und der Landschaft.
Durch den Kuss unter der Mistel zur Weihnachtszeit ist diese uns sympathisch, aber für Bäume wird die Mistel zunehmend zur Gefahr. Der immergrüne Halbschmarotzer betreibt selber Fotosynthese, raubt aber ihrem Wirtsbaum Wasser und Nährstoffe aus dessen Leitungsbahnen in der Rinde. Innerhalb weniger Jahre ist die ganze Krone befallen und der Baum stirbt ab. Dabei werden auch starke Äste trocken und können abbrechen und zur Gefahr werden. Ortsbildprägende Bäume und steinalte Naturdenkmale können so verloren gehen.
Es beginnt schleichend mit einem Samen in weißer, klebriger Hülle, den ein Vogel im Winter auf dem Ast eines Baumes abstreift. Der Samen klebt mit seinem Fruchtfleisch an der rauen Rinde fest, keimt und seine Saugwurzel wird durch das Dickenwachstum in der Rinde des Wirtsbaumes verankert.
Galt die Mistel früher als selten, breitet sie sich jetzt nach einer Untersuchung des Nabu von 2016 auch in Mittel und Norddeutschland aus und wird vermutlich durch das mildere Klima der letzten Jahre und die dadurch geschwächten Bäume begünstigt. Die Mistel befällt auch gerne Obstbäume und konnte sich in nicht mehr gepflegten Obstwiesen und Straßenbäumen verbreiten. Außer Kernobst- und Lindenbäumen sind auch Pappeln, Weiden, Ahorne und Robinien durch die Mistel in Gefahr.
Die Mistel steht nicht unter Naturschutz und sollte bekämpft werden. Eine vollständige Entfernung der Mistel ist nur erfolgreich, wenn ihre Wurzeln im Ast, die etwa 30 cm weit zum Stamm hin reichen, mit abgesägt werden. Dies ist nur in den äußeren Kronenteilen möglich, denn ein Kappen von starken Ästen führt zu großen, nicht verheilenden Wunden, die eine Eintrittspforte für holzzerstörende Pilze sind und den Baum weiter schwächen. Es ist also ratsam, sofort zu reagieren, wenn eine Mistel entdeckt wird.
Auf keinen Fall darf die Krone eines Baumes an den großen Ästen einfach gekappt werden. Dieser vermeintliche Heilschnitt führt zu Pilzbefall, einem vermorschen des Kernholzes und hohl werden des Stammes und zu instabilen Not-Trieben, die durch Ausbrechen zur Gefahr werden. Eine Hilfe ist es, wenn ein Befall an starken Ästen vorliegt, die Misteln waagerecht abzusägen, da damit Nährstoffverlust, Gewicht und Windwiderstand vermindert werden und keine Samen mehr entstehen, die zur Weiterverbreitung beitragen. Oftmals treibt die Mistelwurzel aber wieder aus und bildet neue Sprosse und Blätter.