Was macht Corvey – die mehr als 1200 Jahre alte ehemalige Benediktinerabtei an der Weser – als Ort ihrer Firmung so besonders? Dieser spannenden Frage haben junge Menschen in Vorbereitung auf das Sakrament jetzt nachspüren können.
Jugendliche der zehnten Jahrgangsstufe sind im Pastoralverbund Corvey alljährlich zur Firmung und zur Vorbereitung auf diesen wichtigen Meilenstein in ihrem jungen Glaubensleben eingeladen. Die Organisation liegt in den bewährten Händen von Gemeindereferent Carsten Sperling und Pastor Thomas Nal. In diesem Jahr haben sie zum ersten Mal das Welterbe Corvey als Ort für die Firmung ausgewählt. Am Samstag, 9. Mai, spendet Weihbischof Matthias König mehr als 70 jungen Menschen inmitten der barocken Pracht der ehemaligen Abteikirche dieses wichtige Sakrament.
Denkmal mit markanter Westfassade und höchsten Weihen als Erbe der Menschheit, Glaubensort mit langer klösterlicher Geschichte und anhaltender Impulskraft: Was Corvey zugeschrieben wird, sollten die Firmbewerberinnen und -bewerber vor ihrem großen Tag spüren und erleben können. Deshalb öffnete die Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus gemeinsam mit Pastor Nal und Gemeindereferent Sperling das Portal des karolingischen Westwerks für spannende Erkundungen. Diese führten in der barocken Abteikirche bis ins Chorgestühl und im Westwerk bis hinauf in den Johanneschor.
Annika Pröbe, Standortleitung Welterbe karolingisches Westwerk und Abteikirche Corvey im Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn, Kirchenvorstand Josef Kowalski und der Verwaltungsleiter des Pastoralverbunds Corvey, Marcus Beverungen, ließen an drei Stationen Corveys Geschichte, seine Alleinstellungsmerkmale mit Weltgeltung und die neuen digitalen Angebote, die Steine zeitgemäß und würdig zum Sprechen bringen, eindrücklich aufleuchten. „Wir möchten Euch Corvey als besonderen Firmort erfahrbar machen“, brachte Josef Kowalski die Intention dieser Erkundung zum Ausdruck.
Sie begann vor dem Gesicht und Aushängeschild der Welterbestätte, der Doppelturmfassade des karolingischen Westwerks. Die zwei Türme ragten hinauf in einen strahlend blauen Himmel, als die Gruppe Jugendlicher zusammen mit den Leiterinnen und Leitern ihrer Glaubenskurse zur Vorbereitung auf die Firmung im ehrwürdigen Corvey eintrafen. Corvey-Kenner Josef Kowalski vergegenwärtigte an diesem authentischen Ort mit einem Zitat aus der Vita des hl. Adalhard die Geburtsstunde des Weserklosters im Spätsommer 822: „Als sie die Litanei und das Gebet beendet hatten, nahmen sie die Messschnur, schlugen Pflöcke ein und begannen auszumessen“, heißt es über die Grundsteinlegung durch Benediktinermönche aus dem westfränkischen Corbie.
Die Ordensmänner initiierten mit diesem geschäftigen Tun ein wirkmächtiges Jahrtausend monastischen Lebens. In dieses große Millennium können die Gäste regelrecht eintauchen, wenn sie in der Erdgeschosshalle des Westwerks stehen und auf der intelligenten Glaswand an der Schwelle zur barocken Abteikirche die neue Filmprojektion erleben. In einer großartigen Dramaturgie nehmen spektakuläre Bilder und ein spannendes Storytelling die Zuschauenden mit auf eine immersive Zeitreise ins Jahrtausend der Mönche. Im Rahmen von Führungen komplettiert dieses Erlebnis die digitalen Angebote der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus.
„Film ab“ hieß es jetzt beim Besuch der Firmbewerber: Marcus Beverungen, Verwaltungsleiter des Pastoralverbunds Corvey, zeigte ihnen den Acht-Minuten-Film in einer Preview vor seinem offiziellen Start zu Beginn der Saison in Corvey. Fazit der Jugendlichen: „Großes Kino!“
Begeistert hat sie auch, wie der Johanneschor im Obergeschoss des Westwerks auf dem Bildschirm eines Tablets in seiner ursprünglichen Ausgestaltung virtuell neu erblüht. Annika Pröbe nahm die jungen Menschen mit hinauf in die Emporenkirche und Herzkammer des Welterbes. Die Historikerin zeigte ihnen, wie das, was sie mit Worten fesselnd beschrieb, an authentischer Stelle sichtbar wird. „Augmented Reality“ (erweiterte Realität) macht es möglich. Die Wand, vor der man steht, offenbart sich auf dem Tablet so, wie sie früher ausgesehen hat.
Leidenschaftlich und lehrreich erläuterte die Standortleitung vor der berühmten Odysseus-Szene unter der Westempore, wie der Held aus der griechischen Mythologie in eine christliche Kirche kommt. Und wie penibel die Künstler vor mehr als 1100 Jahren gearbeitet haben. Das zeigt sich bei genauem Hinsehen am linken Fuß des Odysseus. Der war dem Künstler offenbar in seiner ersten Fassung nicht schlank genug. Also korrigierte er dieses Detail, was eine rote Linie, die durchscheint, verrät.
An der südwestlichen der sechs Sinopien (Vorzeichnungen für lebensgroße Stuckfiguren) hinterließ einer der Künstler seinen Daumenabdruck. Ob er gedacht hätte, dass diese „Visitenkarte“ an der Wand mehr als 1100 Jahre später noch von ihm künden würde?